Proaktiv wichtige Themen angehen – Interview mit Caroline Fischer vom Klimarat

Dr. Caroline Fischer engagiert sich bei München Zero, einer Klimaschutzorganisation, die die Stadt München dabei unterstützt, bis 2035 klimaneutral zu werden. Seit November 2024 bringt die begeisterte Swingtänzerin ihr Engagement auch in der 2. Generation des Klimarats ein. Hauptberuflich arbeitet die 33-Jährige als Full Stack Engineer. Hier ein Interview mit Caroline über Ihre Klimarat-Aktivität:
Was hat dich dazu bewogen, dich neben deinem Engagement bei MünchenZero auch im Klimarat zu engagieren?
Vor einiger Zeit habe ich ein Buch für meine Nichte gekauft: Good Night Stories for Rebel Girls. In diesem Buch werden Frauen vorgestellt, die in ihrem Leben etwas bemerkenswertes getan haben. Ich war fasziniert davon, was einzelne Menschen erreichen können. Menschen wie Ruth Bader Ginsburg, die als Anwältin wichtige Fälle zur Gleichberechtigung von Frauen gewonnen hat oder Irena Sendler, die tausende Kinder vor den Nazis gerettet hat. Mir ist klar, dass ich keine Weltgeschichte schreiben werde, aber ich möchte das Leben anderer Menschen verbessern und etwas erreichen, auf das ich stolz sein kann. Mein Engagement im Klimarat ist für mich der nächste Schritt in die richtige Richtung.
Welche Ziele verfolgst du mit deinem Engagement?
München muss so schnell wie möglich klimaneutral werden! Dafür müssen die richtigen Grundlagen geschaffen werden. Wir brauchen ein jährliches Monitoring unseres Fortschritts und müssen Sofortmaßnahmen ergreifen, wenn wir unsere Zwischenziele nicht erreichen.
Die Maßnahmen mit dem größten Emissions-Einsparpotenzial sollten dabei Priorität haben. Zum Beispiel ist die aufsuchende Energieberatung eine der effektivsten Maßnahmen, laut einer Untersuchung des Umweltbundesamtes. Doch aktuell werden für ganz München nur 10 Energieberater*innen von der Stadt beschäftigt – nötig wären rund 120 um bis 2035 alle Ein- und Zweifamilienhaus Besitzer*innen zu erreichen.
Wir dürfen jetzt nicht damit anfangen an Klimaschutzmaßnahmen zu sparen so wie es kürzlich beim Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude geschehen ist. Stattdessen brauchen wir ein verlässliches Klimaschutzbudget.
Auch sollte das Referat für Klima- und Umweltschutz besser referatsübergreifend agieren können, da Klimaschutz eine Querschnittsaufgabe ist, die Mobilität, Stadtplanung, etc. umfasst.
Ich habe das Gefühl, mich ständig zu wiederholen – aber offenbar ist es nötig, diese Forderungen immer wieder laut zu machen.
Vor welchen Herausforderungen stehst du in deiner Rolle im Klimarat?
Wir sind nach wie vor einfach Klimaengagierte, die versuchen ihre Expertise und Leidenschaft einzubringen. Nur dass wir jetzt alle zwei Monate in der Klimaratssitzung unsere Meinung sagen dürfen. Ich stelle mir also immer noch die Frage, wo die Hebel sind, um Klimaschutz voranzutreiben.
Der Standardprozess des Klimarats ist eher reaktiv: Wir bekommen die Beschlussvorlagen des Referats für Klima- und Umweltschutz und können dazu eine Stellungnahme verfassen. Doch so sind wir auf die Themen beschränkt, die uns zugewiesen werden, und unsere Einflussnahme ist dann so spät im Prozess, dass Änderungen leider unwahrscheinlich sind.
Mein Ziel ist es proaktiv wichtige Themen anzugehen. Ich würde gerne viel mehr im Kontakt mit den Referaten sein, aber ich fühle mich gerade so, als würde ich noch draußen stehen.
Trotzdem treiben wir Themen voran: Das Klimaschutz-Monitoring wird in der nächsten Klimaratssitzung diskutiert, weil wir es auf die Tagesordnung gesetzt haben. Außerdem setzen wir uns dafür ein, früher und systematischer in Entscheidungsprozesse eingebunden zu werden, wie es schon unsere Vorgänger*innen im Klimarat gefordert haben. Wir organisieren den Austausch mit der Zivilgesellschaft und informieren über unsere Arbeit bei dem Münchner Lokalsender Lora.
Wie stellst du dir München im Jahr 2030 vor?
München hat seine eigenen Klimaziele ernst genommen und umgesetzt. Die Stadtverwaltung ist wie versprochen bis 2030 klimaneutral: kommuneneigene Gebäude wurden saniert, fossile Heizungen ersetzt und kommunale Dachflächen mit Photovoltaikanlagen ausgestattet.
Auch die Stadt insgesamt ist auf einem guten Weg: Die Quartiersarbeit und aufsuchende Energieberatung haben dazu geführt, dass immer mehr Häuser auf nachhaltige Wärme und Stromerzeugung umgestellt wurden. Die Stadtwerke München haben zusätzliche Geothermieanlagen gebaut, und die Fernwärme ist weitgehend auf niedrige Temperaturen umgestellt, um diese nachhaltige Energiequelle effizient zu nutzen.
Klimagerechtigkeit steht im Fokus: Wohnungseigentümergemeinschaften wurden aktiv in die Energiewende eingebunden, und einkommensschwache Haushalte profitieren von geringeren Heiz- und Stromkosten durch Sanierungen und Mieterstrommodelle.
Auch die Mobilitätswende ist sichtbar: Die Radentscheid-Pläne wurden konsequent umgesetzt, und Straßen wie die Lindwurmstraße sind endlich fahrradfreundlich und sicher gestaltet.
Welche konkreten Maßnahmen braucht es, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen?
Die Frage, wie diese Vision Wirklichkeit werden können, finde ich sehr schwierig zu beantworten. Das Paradoxe für mich ist, dass viele der Maßnahmen, die nötig sind, schon lange durch den Stadtrat beschlossen wurden. Nur die Umsetzung hängt leider oft weit hinterher.
Um mal Beispiele zu nennen:
- Seit Dezember 2023 wurde die Anschaffung eines Klimaschutz-Monitoring-Systems beschlossen, das Stand heute aber noch nicht existiert.
- Im Juli 2019 wurden die Maßnahmen auf dem Radentscheid beschlossen, aber mit der aktuellen Ausbaugeschwindigkeit, wird es statt der geplanten 5 Jahre noch 150 Jahre dauern.
- Im Juli 2021 gab es den ersten Beschluss zum Quartiersansatz, also das Begleiten von Nachbarschaften bei der Information und Umsetzung nachhaltiger Wärmeversorgung, Gebäudesanierung etc. Bis 2035 sollen 400 Quartiere erreicht werden. Bisher wurde der Ansatz in ganzen 5 Quartieren erprobt.
Als Außenstehende ist es schwierig die Gründe hierfür zu verstehen. Wurden Beschlüsse gefasst, ohne das Budget einzukalkulieren. Gibt es Personalmangel? Wurden Maßnahmen intern depriorisiert? Hier muss Transparenz geschaffen werden und diesen Themen werden wir im Klimarat noch tiefer auf den Grund gehen.