Keine Zeit mehr für zähe Verhandlungen – Interview mit Sylvia Hladky
Mit dem neuen Jahr starten wir eine Interviewreihe mit den zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen des Klimarats. Den Anfang macht Sylvia Hladky, sie ist als zivilgesellschaftliche Vertreterin in den Klimarat in München gewählt worden und MIN-Initiatorin des Projekts Westend-Kiez. Wir haben mit der ehemaligen Leiterin des Verkehrsmuseums über ihr Engagement in Sachen Mobilitätswende in München gesprochen.
Du bist in deiner wohlverdienten Rente und könntest ein gemütliches Leben führen.
Was ist deine Motivation, dich täglich mehrere Stunden mit deinen ehrenamtlichen Projekten zu beschäftigen?
Das Thema Klimaschutz beschäftigt mich bereits seit mehr als 30 Jahren. Insbesondere die Effizienz von Energie hat mich als Physikerin immer brennend interessiert. Beim Verbrennungsmotor ist beispielsweise der Wirkungsgrad sehr gering. Wir sollten auf effektiveren Einsatz von Energieträgern achten und kohlenstoffhaltige Energieträger durch erneuerbare Energien wie Sonne und Wind ersetzen.
Autos beherrschen das Straßenbild, du möchtest daran etwas verändern!
In München – wie auch in anderen Städten – dominieren die Autos die Stadt. Das Auto war und ist nicht nur ein Objekt, um von A nach B zu kommen. Dahinter stehen Prestige, Selbstdarstellung, Freiheit und es ist ein enormer Wirtschaftsfaktor. Der Anspruch, einen kostenlosen Platz im öffentlichen Raum zu besitzen, ist beispielsweise seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts ganz fest in den Köpfen der Menschen verankert. Individualverkehr ist neben dem Flächenverbrauch aber auch mit Umweltverschmutzung und Lärm verbunden.
Jetzt zwingt uns der Klimawandel zum Handeln. Allerdings ist der Mensch furchtbar träge. Ein Umdenken wird dauern und es wird nicht freiwillig passieren. Die Politik muss einen neuen Rahmen setzen. Städte müssen den Menschen wieder mehr Freiraum geben.
Was sind deine Ziele für dein Engagement bei MIN und im Klimarat?
Wir haben bis 2027 ein CO2-Restbudget, ausgehend von den Daten des Weltklimarats IPCC. Bis dahin sind es noch fünf Jahre. Was wir dann an CO2 produzieren, trägt direkt zur Überschreitung des 1,5 Grad-Zieles bei. Dann könnten auf München Kompensationszahlungen für die C02-Emissionen zukommen und das wird richtig teuer. Und darin sind noch nicht die Klimaschäden durch vermehrte Unwetter eingerechnet. Das haben noch nicht alle Politiker verstanden. Die Zeit reicht nicht mehr für zähe Verhandlungen. Wir müssen heute die Weichen stellen.
Und wie sähen solche Weichen aus?
Wenn wir jetzt schnell handeln, dann schafft München 2035 die Klimaneutralität, die sich die Stadt selbst auferlegt hat. D. h., dass alle städtischen Investitionen, auf ihre Klimawirksamkeit, ihren Zeitaufwand und die Kosten geprüft werden müssen.
Beispielsweise ist die U5-Verlängerung nach Pasing geplant. An sich ein sinnvolles Projekt, aber es ist ein langfristiges und kostenintensives Unternehmen. Die Fertigstellung erfolgt erst im Jahr 2040. Das ist zu spät. Jetzt müssen wir schneller wirkende Projekte wie die Erweiterung des Trambahn- und Busnetzes priorisieren, Sharingangebote zur Verfügung stellen und den öffentlichen Raum neu bepreisen, um kurz- und mittelfristig die CO2-Emssionen zu senken. Damit gewinnen wir Zeit für die Umsetzung von Projekten mit langer Bauzeit, wie den U-Bahn-Ausbau.
Wie erlebst du die Verwaltung?
Sehr zäh. Schauen wir nach Paris. Dort hat sich die derzeitige Bürgermeisterin Anne Hidalgo den Umbau des öffentlichen Netzes auf die Fahne geschrieben und viel erreicht. „Das Auto muss weg aus der Stadt“ ist die oberste Maxime der Bürgermeisterin – gegen alle Anfeindungen. Es muss an der Spitze einer Stadt jemand für das Thema brennen und den Mut und die Macht haben, radikale Veränderungen durchzusetzen.
Vielen Dank für das Interview!
Weiteres Interview: Angst, das alles viel zu langsam geht: Klara Bosch