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Hermann Hofstetter: „Eine Ehre, an der Transformation Münchens mitarbeiten zu dürfen“

Hermann Hofstetter

Im Rahmen unserer Interviewreihe mit den zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen des Klimarates haben wir uns mit Hermann Hofstetter unterhalten. Hermann Hofstetter ist neben dem Klimarat Mitglied der ÖDP und bei Scientist4future, Vereinsvorstand im TAGWERK e.V. und kirchlich aktiv und dort Umweltmanagementbeauftragter des Erzbischöflichen Ordinariats.

Woher kommt die Motivation, sich in diesen vielen Organisationen zu engagieren?

Hermann Hofstetter: Ich bin – auch von meinem Werdegang her – nicht gerne nur Nischenspezialist. Alles hängt mit allem zusammen, sagt Franziskus. Der ganzheitliche Blick auf komplexe Sachverhalte und kybernetische Systematiken, das hat mich schon immer interessiert. Wir sehen ja bei den monokausalen Entscheidungen, die auf allen Ebenen, angefangen von den Kommunalparlamenten bis hin zu den europäischen Gremien, getroffen werden, wie sich Fehlentwicklungen immer weiter aufschaukeln.  Abhängigkeiten und Folgewirkungen liegen außerhalb des Betrachtungskanons. Ganz im Sinne des Gleichnisses von den Talenten bin ich der Meinung, dass jeder Mensch Teil der Lösung sein kann und daher jeder Mensch seine Talente so gewinnbringend wie möglich für die Allgemeinheit – oder in diesem Fall für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen – einbringen muss. Das versuche ich und das treibt mich an.

Gibt es bei so viel Engagement nicht auch Interessenskonflikte? (Und die Frage bezieht sich nicht auf die Zeit.)

Hermann Hofstetter: Nach meinem Gefühl verzahnen sich die Einzelteile synergetisch zu einem sich gegenseitig bereichernden Nachhaltigkeitsbiotop. Auch habe ich es in der Regel in diesen Organisationen mit Menschen zu tun, die in wichtigen Fragestellungen meine Auffassungen weitgehend teilen. Es gibt also große Schnittmengen, aber natürlich auch kontroverse Debatten – das gehört zur Weiterentwicklung dazu. Übrigens: Wenn man in keiner Organisation der Erste ist, kann man sich auch weiter aus dem Fenster lehnen. Da bei keinem ehrenamtlichen Engagement wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen, kann ich sehr unabhängig agieren. Meine berufliche Tätigkeit ist eigentlich nur die logische Konsequenz des jahrzehntelangen intensiven Ehrenamtseinsatzes. Dort bin ich auch mit allen Handlungsfeldern, die im Klimarat eine Rolle spielen, befasst.

Warum hast du die Aufgabe im Klimabeirat übernommen?

Hermann Hofstetter: Es ist für mich eine große Ehre, an der großen Transformation Münchens mitarbeiten zu dürfen. Dass ich bei der Wahl durch die Zivilgesellschaft so gut abgeschnitten habe und mir damit das Vertrauen ausgesprochen wurde, hat mich natürlich sehr gefreut. Ich möchte die Chance nutzen, meine Erfahrungen und Expertise in den verschiedenen Transformationsbereichen einzubringen und dazu beitragen, dass die Ziele und Entwicklungspfade der Stadt und der kirchlichen Akteure kongruent werden.

Welche Ziele verfolgst du damit?

Hermann Hofstetter: Mir geht es vor allem darum, „schwarze Flecken“ in der Ausgestaltung bestimmter „Klimathemen“ in die Diskussion zu bringen und Beiträge zu liefern, die eine zukunftsfähige Prioritätensetzung erleichtern. Den Großteil der Münchner*innen möglichst rasch zu Mitgestaltern der Transformation zu machen, ist mir sehr wichtig – offen gestanden: da stehen wir leider noch ziemlich am Anfang. Ich glaube, dass dem Bildungsbereich eine zentrale Schlüsselrolle zukommt und dass das Thema BNE immer noch extrem unterschätzt wird. Um eine Million Menschen zu proaktiven Akteuren zu entwickeln, brauchen wir ein Universum an Aus-, Fort- und Weiterbildung und Bewusstseinsbildung und dafür haben wir noch wenig Zeit. Gerade hier wird an Ressourcen gespart. Technik kann ersetzt werden, aber fehlende Motivation und Kompetenz führen zu Unmöglichkeiten. Ich möchte den „Technikfokus“ erweitern und dazu gehört auch, den vernachlässigten Bereich der enkeltauglichen Lebensmittelversorgung Münchens immer wieder aufzurufen.

Wie erlebst du die Zusammenarbeit mit der Stadt?

Hermann Hofstetter: Ich erlebe eine sehr positive Entwicklung im RKU und wir profitieren sehr von der harmonischen und sympathischen Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle des Klimabeirates. Aber für viele Verwaltungsbereiche und auch Stadträt*innen sind wir als Klimarat inhaltlich und prozessual unendlich weit weg. Um mehr Durchschlagskraft bei allen Beteiligten zu entwickeln, braucht es ganz andere – oder überhaupt – effektive Beteiligungsprozesse. Der Klimarat könnte wesentlich mehr fruchtbaren Input liefern, wenn unsere Expertise viel früher in die Erarbeitung von Konzepten und Entscheidungsvorlagen der Referate und Beteiligungsgesellschaften einfließen könnte – mir ist natürlich bewusst, dass eine solche „Arbeitsweise“ etwas völlig Neues ist. Aber um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir alle vieles „neu“ lernen und die Scheu vor dem Unbekannten verlieren – je früher wir damit beginnen, desto besser.

Wie wünschst du dir München im Jahr 2030?
Hermann Hofstetter: Einen ehrlichen und zukunftsfähigen Umgang mit den Rahmenbedingungen, damit meine ich beispielsweise:

  • Das Volumenwachstum Münchens ist schon lange gestoppt – Wachstum findet nur noch in Bezug auf Qualität, Lebenswert/Wohlfahrt und Enkeltauglichkeit statt.
  • Der Rückbau von Teilen des Flughafens ist begonnen – große Bereiche werden zu Biodiversitätszonen.
  • Alle wesentlichen Investitionen und Vorhaben haben eine Klimafolgen-/Fußabdruckbewertung.
  • München steuert seine Finanzen über einen Nachhaltigkeitshaushalt.
  • Die Stadtgesellschaft weiß, dass der „Umbau“ auf Zukunftsfähigkeit in München große 2stellige Milliardenbeträge verschlingen wird – über Bürgerbefragungen gibt es ein Monitoring und Richtungsnivellierung zu Investitionsentscheidungen.
  • Jährlich sinkt die Pendlerzahl um 10 % indem mit den Akteuren des Großraums Bleibeperspektiven in den Kommunen geschaffen werden.
  • Innerhalb des Stadtgebiets werden bereits 25% der benötigten nachhaltigen Lebensmittel produziert. Die Selbstversorgungsrate steigt jährlich um 5%, dieser starke Anstieg ist auch deswegen möglich, weil u.a. sukzessive Teile des Flughafens zur Lebensmittelproduktion umgebaut werden.
  • Es sind mit großem Tiefgang Bürgerräte installiert und der Stadtrat verzahnt substanziell seine Entscheidungsvorbereitungen mit Expertisen aus allen Bereichen der Stadtgesellschaft.
  • Nachdem die Stadtspitze sich 2024 eingestanden hat, dass der spezifische Treibhausgasvorrat Münchens bereits aufgebraucht ist, werden seit 2025 Baumaßnahmen nur noch genehmigt, wenn gleichzeitig eine Teibhausgas-Entnahme durch geeignete Maßnahmen (keine Kompensation) sichergestellt ist.
  • Die Bürger*innen wählen nur noch Volksvertreter*innen, die in erster Linie uneigennützig dem Wohl der Umwelt / Mitwelt und Nachwelt dienen – dazu sind geeignete Evaluierungs- und Kommunikationsinstrumente installiert.
  • Die Bürger*innen fangen an, mit Begeisterung die Stadt in „grün“ auszubauen und reduzieren gleichzeitig ihre überflüssigen Konsumbedürfnisse, da sie auch mit Hilfe der BNE-Programme gelernt haben, dass „Weniger“ in gesunden, naturnahen und menschengerechten Lebensumgebungen ein Maximum an „Mehr“ ergibt.

Vielen Dank, Hermann Hofstetter und noch viel Kraft für dein Engagement!

Hermann Hofstetter, Klimarat

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