Rechte für Menschen und Klima – Fachtagung: Klimagerechtigkeit und Menschenrechte zusammen denken

Verheerende Überschwemmungen in Libyen, weltweite Dürren und Hungersnöte – die Klimakrise fordert Jahr für Jahr tausende Leben und Lebensräume. Die sich verschärfenden Naturkatastrophen der letzten Jahre betonen erneut die Wichtigkeit des Umdenkens auf globaler Ebene. Mehr noch, sie zwingen Bürger*innen und insbesondere internationale Akteur*innen zum Handeln. Inzwischen bekennen sich viele Regierungen des globalen Nordens zur Solidarität mit dem globalen Süden und wollen diesen unterstützen. Die konkrete Umsetzung geht jedoch schleppend voran.

Im Zentrum des nötigen Wandels steht die Klimagerechtigkeit. Die Fachtagung zur Klimagerechtigkeit im Rahmen des Münchner Klimaherbst bot eine Plattform für Stimmen des Globalen Südens und stellte Vernetzung und Solidarität in den Vordergrund. In diesem Zusammenhang wurden durch Vorträge und Workshops vielfältige Perspektiven der Klimakatastrophe beleuchtet. Zur Veranstaltung im Eine Welt Haus München luden das Nord Süd Forum, der Kreisjugendring, MORGEN e.V. und die Münchner Initiative Nachhaltigkeit ein.

Freitag: Wie Peru unter unserem Rohstoffhunger leidet

Warum wirken sich die Folgen der Klimakrise unterschiedlich stark auf die Länder des globalen Nordens und Südens aus? Wo liegen Verantwortlichkeiten und welche Lösungsansätze gibt es bereits?

Mit diesen Fragestellungen umriss Paulo vom MORGEN e.V. mit seiner Moderation den Abend und gab das Wort an die Referenten Antonio Zambrano und Leon Mayer zu Ermgassen. Vanessa Schäfer Manrique musste leider krankheitsbedingt absagen. Umso dankbarer waren wir, dass der Umweltaktivist Leon Mayer zu Ermgassen spontan einspringen konnte. Dem Tatsachenbericht über das Ausmaß an Zerstörung und Menschenrechtsverletzungen folgte tiefe Betroffenheit darüber, was unser Energiehunger, die Wegwerfmentalität und der Hyperkonsum in den Ländern des globalen Südens anrichten.

Im Anschluss an die beiden Vorträge diskutierten die Anwesenden in Kleingruppen und besprachen Fragen mit den Referenten. Auch bei der Diskussion wurde ersichtlich, wie viel sich noch tun muss hinsichtlich einer echten Klimagerechtigkeit und wie dringend es ist, unsere Konsumgewohnheiten zu hinterfragen. Gleichzeitig wurde klar, dass hier grundsätzliche politische Entscheidungen getroffen werden müssen und die Staaten und Unternehmen im globalen Norden endlich im vollen Umfang „Klimaverantwortung“ übernehmen müssen.

Der Austausch war wichtig, um Bewusstsein zu schaffen, aufzuklären und sich auch die Verantwortung einzugestehen, die der globale Norden zu tragen hat. Aber auch, wie wichtig eine Vernetzung von Menschen des globalen Südens mit den Menschen des globalen Nordens ist, um für Solidarität zu sorgen und politischen Druck zu erzeugen.

Samstag: Die vielen Dimensionen der Klimagerechtigkeit

Klimagerechtigkeit und Menschenrechte – wie können wir diese Themen zusammen denken? Wie das funktionieren kann und welche Schwierigkeiten dabei entstehen, wurde in vier verschiedenen Workshops am Samstag erarbeitet. Hannah und Felicia von der Münchner Initiative Nachhaltigkeit starteten mit einer herzlichen Begrüßung. Anschließend mussten sich die Teilnehmenden für zwei von insgesamt vier angebotenen Workshops entscheiden, die die verschiedenen Dimensionen von Klimagerechtigkeit verdeutlichten.

Klimagerechtigkeit & Feminismus

Nach einer Murmelrunde, bei der die Teilnehmenden zu zweit über kritische Aussagen diskutierten, startete das „Welt Spiel“. Hier wurden zuerst die verschiedenen Kontinente mit Seilen gelegt und die Anwesenden teilten sich so auf den Kontinenten auf, wie sie die Verteilung der Bevölkerung auf der Erde einschätzten. Danach wurde mit Stühlen das geschätzte Vermögen der unterschiedlichen Kontinente dargestellt und mit Schokoladenstücken wurde der Energieverbrauch eingeteilt. Danach ging es um die Verteilung der Geschlechter in der Bevölkerung und der Quoten von Frauen in der Politik. Zudem gab es eine Aufklärung mit genauen Fakten über die Aussagen der anfänglichen Murmelrunde. Nach diesen teilweise ernüchternden Zahlen und Informationen bekamen die Teilnehmenden eine kurze Präsentation über einige Aktivistinnen, die sich weltweit für unterschiedliche Themen wie die Gleichberechtigung einsetzen. Zum Schluss dieses aktiven Workshops des Kreisjugendrings gab es die Möglichkeit, seine Gedanken und Gefühle mit den anderen Anwesenden zu teilen und sich darüber auszutauschen.

Klimagerechtigkeit am Beispiel “Klimasolidarität” und “Rojava”

In diesem Workshop, der in zwei Abschnitte eingeteilt war, wurde deutlich, wie Gesellschaftsformen und das Verhältnis zur Natur auch den Umgang mit Rohstoffen und unserer Umwelt prägen. Die weit verbreitete Ansicht, dass wir uns die Natur unterordnen und nicht Teil von ihr sind, führt zu Ausbeutung und Zerstörung der Natur, der nur mit Schutzmaßnahmen begegnet werden kann.

Anhand eines Beispiels vom Fluss Bruno in Kolumbien wurde den Teilnehmenden  die Ausbeutung von indigenen Völkern und deren Lebensgrundlagen durch Rohstoffkonzerne gezeigt. Auch das damit einhergehend erhöhte Risiko für Indigene, mit den Folgen der Klimakrise konfrontiert zu werden, wurde erklärt. Nicht nur verlieren die indigenen Völker in Kolumbien ihre wertvolle Natur, auch wird Ihnen durch Konzerne wie dem Kohlekonzern Glencore ihre Lebensgrundlage zum Jagen, für den Anbau und ihre Wasserversorgung genommen. Völker werden gespaltet und um sich zu wehren, müssen sie sich technisches Wissen und eine neue Sprache aneignen. Der Fluss Bruno ist dabei nicht nur eins der zahlreichen Beispiele, sondern vor allem ein Symbol des Widerstands gegen die Rohstoffkonzerne. Der Versuch der Einheimischen sich auch rechtlich gegen die Ausbeutung zu wehren und den Fluss zurückzugewinnen, zeigt, wie schwer der Kampf für die eigenen Rechte ist, wenn die Rechtsprechung im eigenen Land sowie von internationalen Gerichten Klima- und Naturschutz nicht ausreichend berücksichtigt und Korruption und Greenwashing die Umsetzung das geltenden Rechts erschweren.

Nachdem die Teilnehmenden in unterschiedliche Rollen dieses Konflikts schlüpften, um die Komplexität des Themas begreifen zu können, wurden gegen Ende Lösungsansätze angesprochen. Einer dieser beinhaltete beispielsweise, dass Indigenen auch hier in Europa eine Stimme gegeben wird, über Ausbeutung durch Europäische Konzerne aufgeklärt wird und sich Menschen in Europa solidarisch zeigen. Mehr zum Kampf für den Erhalt des Flusses Bruno und wie man ihn unterstützen kann finden sich hier auf  Instagram oder auf dieser Website.

Im zweiten Teil des Workshops ging es um sogenannten „Kommunalismus“ und „soziale Ökologie“.  Zudem wurde die Rolle von Hierarchien in unserer Gesellschaft und für unseren Umgang mit der Natur thematisiert. Anhand des Beispiels der Autonome Administration „Rojava“ beschrieb Paulo von Morgen e.V. den Teilnehmenden eine Gesellschaftsform, in der es keine Hierarchien gibt. Hier werden Entscheidungen von unten nach oben getroffen. Auch die Natur wird nicht mehr untergeordnet, da sich die Menschen selbst als Teil der Natur sehen. Dieses so fremde Konzept des Zusammenlebens führte zu angeregten Diskussionen zwischen den Teilnehmenden über unser Verhältnis untereinander und zur Natur. Dabei ermöglichte es den Blick über den Tellerrand der „westlich“-geprägten Welt hinaus.

Klimaschutz & soziale Gerechtigkeit – (k)ein Widerspruch?

Diese Frage erarbeiteten die Teilnehmenden interaktiv mit der Caritas München. Von Ideensammlungen zur Definition von sozialer Gerechtigkeit bis zu Brainstorming zu Aussagen, die Gerechtigkeit und Klimaschutz gegeneinander ausspielen, boten sich hier zahlreiche Möglichkeiten zum Austausch.

Bei Gesprächen über den sogenannten Heizungshammer und Argumenten gegen den Kohleausstieg rauchten bald die Köpfe. Es war schnell klar: Es ist immer leichter in Bezug auf die Klimakrise laut „Nein!“ zu rufen, als mit wissenschaftlich fundierten Argumenten vom Gegensatz zu überzeugen. So wurden die Teilnehmenden dazu aufgerufen, die Perspektive zu wechseln. Vorurteile, Annahmen und Bedenken hinter den Aussagen konnten gemeinsam aufgearbeitet werden – mit einem neuen Blickwinkel wurde nun ein Klimafon erstellt. Bei der nächsten Diskussion über den (vermeintlichen) Widerspruch von Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit muss nicht erst nach Worten gerungen werden. Mit „Lieber teuer als tödlich!“, „Wenn du nicht bereit bist, die realen Kosten zu zahlen, wälzt du die Kosten auf andere (Generationen oder Kontinente) ab!“ und weiteren schlagfertigen Argumenten aus dem Klimafon verließen alle bestens gewappnet den Workshop.

Globale Fragen der Klimagerechtigkeit und der Kampf um Menschenrechte aus indigener Perspektive

Heißere Sommer, extremere Wettereignisse. Was der Klimawandel in Deutschland und Europa verändert, konnten wir alle in den letzten Jahren am eigenen Leib erfahren. Viele wissen jedoch nicht, was genau währenddessen im Globalen Süden und vor allem bei Indigenen im Zusammenhang mit den Menschenrechten geschieht. Aufbauend auf seinen Vortrag vom Freitag, brachte Antonio Zambrano  den Teilnehmenden diese Aspekte näher. Dabei wurde er von seinem Dolmetscher Heinz tatkräftig unerstützt.

Nach einem kurzen Einblick in die aktuelle Situation begann ein lösungsorientiertes Arbeiten. „Welche Instrumente gibt es sowohl global als auch lokal in Peru und in München?“, forderte Antonio alle zum Brainstormen auf. Zusammen wurde eine beachtliche Liste an Initiativen und Projekten erstellt. Antonio ergänzte diese zum Abschluss durch einen Überblick über internationale Abkommen zu dieser Thematik. Zu erkennen, dass es lokal und global doch einige Möglichkeiten und Initiativen für Menschenrechte und Klimagerechtigkeit gibt, ließ die Gruppe den Workshop mit einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft beenden.

Zu guter Letzt…

Nach den Eindrücken des Tages luden wir alle zu einer Schnibbelparty ein. Während sich die Teilnehmenden austauschen konnten, wurde fleißig geschält, geschnitten und gekocht. Die Fachtagung zu Klimagerechtigkeit und Menschenrechte endete mit einer zum Klimaherbst passenden Kürbissuppe, frischem Brot und Getränken.

Und mit dem Ansporn, die erarbeiteten Erkenntnisse weiterzutragen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Denn wir wollen nicht weiter die Augen verschließen vor der Ungerechtigkeit, die unser Konsum, unser Energiehunger und unsere Wegwerfmentalität in Ländern des Globalen Südens anrichten.

 

Hier kannst du mehr über das Event erfahren und einen Blick in die Workshops und Vorträge werfen!

 

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