Fachtagung „Arbeitsmigration und Klimakrise“ – Herausforderungen schaffen wir nur gemeinsam
Die Fachveranstaltung im Rahmen des diesjährigen Klimaherbsts „Arbeitsmigration im Kontext der Klimakrise – wie geht es gerecht?“ war ein voller Erfolg!
Über 70 Teilnehmende, ein persönliches Grußwort des Wirtschaftsreferenten Clemens Baumgärtner und der Vorsitzenden von Morgen e.V., Songül Akpinar, sowie spannende Impulse und Workshops, die die Vielschichtigkeit des Themas widerspiegelten. Das Veranstaltungsteam aus NordSüdForum, Morgen e.V., Referat für Wirtschaft und Arbeit, Referat für Bildung und Sport sowie der Münchner Initiative Nachhaltigkeit (MIN) blickt auf eine gelungene Fachtagung zurück.
Migration hat München zu dem gemacht, was es heute ist
In München hatte Migration einen bedeutenden Einfluss darauf, wie die Stadt heute aussieht und funktioniert. Neuankommende sollen sich willkommen und wohl fühlen. Der Schlüssel dazu liegt in der kommunalen Beschäftigungspolitik und der Fähigkeit, auf eine interessante und menschenorientierte Weise zu interagieren. Dies betonte der Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner in seinem Grußwort. Es gibt jedoch auch noch vieles zu tun. Songül Akpinar von Morgen e.V., betonte in ihrem Grußwort, dass wir die Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere Migration und Klimakrise, nur gemeinsam bewältigen können.
Menschenrechte müssen sich nicht erarbeitet werden
Der 24.10. war nicht nur Tag der Fachveranstaltung, sondern auch Tag der Vereinten Nationen, der ein Augenmerkt auf die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte legt. Wenn Menschen ihre Heimat verlassen, tun sie dies auch, weil ihnen diese Menschenrechte verwehrt oder sie sogar massiv verletzt werden. Die Fachtagung, sowie der diesjährige Klimaherbst, haben den Fokus Wirtschaft, Fachkräftemangel und Arbeit, aber eines ist dem Veranstaltungsteam wichtig zu betonen: die Menschenrechte müssen sich nicht erarbeitet werden. Sie stehen jedem Menschen zu, unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer Anschauung und nationaler oder sozialer Herkunft. Betiel Berhe, Ökonomin und Autorin, appellierte außerdem dafür, Menschen nicht anhand von ihrer „Verwertbarkeit“ zu beurteilen.
Extraktivismus: Ein absurder Teufelskreis
Wie hängen Arbeitsmigration und Klimakrise zusammen? Die Verknüpfung dieser beiden Themen übernahm Biancka Arruda Miranda, Umwelt- und Menschenrechteaktivistin sowie Vorstandsmitglied bei KoBra – Kooperation Brasilien e.V und Commit e.V.
Die Klimakrise zerstört Lebensgrundlagen und zwingt Menschen zur Flucht. Die klimabedingte Migration ist bisher noch wenig erforscht und trotzdem bieten die aufgrund des Klimakollaps immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen einen Vorgeschmack auf Fluchtbewegungen der nächsten Jahre. Aber auch Energiegewinnung und Mobilitätsverhalten im globalen Norden, ob fossil oder erneuerbar, hat Auswirkungen auf den globalen Süden, wo ein Großteil der Rohstoffe für Batterien, Solarzellen, Karosserie und Kraftstoff gefördert wird. Ist ein Job am Fließband von BMW ein Trost für die Menschen, wenn sie aufgrund des Rohstoffhungers von Autoherstellern ihre Lebensgrundlage und Heimat verlieren? Biancka Miranda hat die Absurdität dieses Extraktivismus treffend zusammengefasst und die Eindrücke von Betroffenen in Brasilien anhand sehr bewegender Bildern geschildert.
Workshop 1
Der erste Workshop: „Arbeitsmigration im globalen Kontext: Auswirkungen der Klimakrise, kolonialen Kontinuitäten und Fachkräfteanwerbung?“ wurde von der Ökonomin, Autorin und Aktivistin Betiel Berhe geleitet. Im Rahmen des Workshops wurden zentrale Fragen und Erkenntnisse zu Migration und sozialer Ungleichheit beleuchtet. Ein wiederkehrendes Thema war die Betrachtung der „Nützlichkeit“ von Migrant*innen als ausschlaggebendes Kriterium für ihre Bleibeperspektive. Die Klassifizierung Geflüchteter in „Vorzeigeflüchtlinge“ und „Problemgeflüchtete“ verdeutlicht, wie stark gesellschaftliche Akzeptanz von vermeintlich wirtschaftlichem Nutzen abhängt.
Dabei wurde auch thematisiert, dass die Angst vor Migration oft die Sorge um den Klimawandel überwiegt. Ein besonders kritischer Punkt war die Frage, warum in einem der reichsten Länder der Welt ausgerechnet die untersten Schichten gegeneinander ausgespielt werden, anstatt die eigentliche Ursache – die ungleiche Verteilung von Ressourcen – in den Fokus zu rücken. Diese Diskussion brachte uns zur Rolle der Kolonialität als Basis des Kapitalismus und zur Frage der Verlagerung von Verantwortung: Während viele westliche Länder von den globalen Systemen profitieren, bleiben sie meist von den negativen Auswirkungen, wie Ausbeutung und Ungleichheit, verschont.
Workshop 2
Verena Schneeweiß vom Internationalen Bund e.V. stellte im Workshop zu „Faire Anwerbung“ heraus, wie wichtig Standards und unabhängige Meldestellen bei der Fachkräftegewinnung im Bereich der Pflege sind, um Ausbeutung zu verhindern. Was uns in Deutschland oft nicht bewusst ist: Anwerben bedeutet Abwerben und diese Fachkräfte fehlen im Heimatland. Dieser sogenannte „Brain Drain“ könnte über zirkuläre Migration etwas abgemildert werden. Sprich: die Rückkehr in die Heimat nach erfolgreicher Ausbildung und Berufserfahrung in Deutschland, um dort keine Lücke zu hinterlassen. Besonders spannend war der Erfahrungsbericht einer Pflegefachkraft, die zur Ausbildung aus der Türkei nach Deutschland gekommen ist. Das Projekt läuft über Care International und es hat sich gezeigt, wie wichtig Unterstützung bei Behördengängen und Standards bei Sprachkursen sind.
Workshop 3
In Workshop 3 „Integration migrantischer Arbeitskräfte: Good Practice in München“ berichtete Quan-Minh Bottrill aus eigener Erfahrung über das Thema „Fachkraft im Ausland sein“ und über den Fachkräftemangel in München.
Verschiedene Projekte wurden vorgestellt, die darauf abzielen, Fachkräfte auf ihrem Weg nach München zu unterstützen. Dazu zählen beispielsweise Portale für Fach- und Nachwuchskräfte, sowie Berufssprachkurse. Im Vordergrund steht dabei nicht die aktive Anwerbung, sondern die Beratung und Unterstützung derer, die Arbeit in München suchen. Vor allem in den Bereichen Gesundheit und Pflege, den IT- und Ingenieurwissenschaften sowie in den Handwerksberufen besteht ein großer Bedarf an Fachkräften. In München sind derzeit etwa 30.000 Stellen unbesetzt, was die Notwendigkeit dieser Projekte unterstreicht.
Einen zusätzlichen Einblick in das Thema Vorintegration und Übergangsmanagement durch das Goethe-Institut und die Arbeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gaben Regina Grasberger und Dr. Vera Süßenbach. Abschließend ging Elena Münnich von „Über den Tellerrand kochen München e.V.“ näher auf den Gastronomiebereich ein.
Wie gehen wir mit den Menschen um, auf die wir angewiesen sind?
Der globale Norden steht vor großen Herausforderungen – und der globale Süden soll aushelfen. Mit Rohstoffen und Arbeitskräften. Die Fachtagung hat verdeutlicht, dass wir hier in München nicht nur Fachkräfte aus anderen Regionen der Welt wie ein Staubsauger abziehen können, sondern Verantwortung tragen. In Form von Standards, um Ausbeutung zu verhindern oder auch durch zirkuläre Migration – um eine Rückkehr ins Heimatland nach erfolgreicher Ausbildung und Berufserfahrung zu unterstützen. Verantwortung bedeutet aber auch: wie gehen wir mit den Menschen um, die zu uns kommen und was tun wir, damit sie sich wohl und willkommen fühlen? München geht hier bereits bei einigen Projekten mit gutem Beispiel voran. Trotzdem gibt es noch einiges zu tun. Packen wir es in München gemeinsam an: Wissenschaft, Verwaltung, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft!
Fotos: Alexandra Beier
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