München hat das Potential für eine klimaneutrale Wärme – Interview mit Dr. Kai Zosseder

In unserer Interview-Reihe mit den zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen des Klimarats haben wir im Dezember 2022 mit Dr. Kai Zosseder gesprochen. Neben seinem Engagement im Klimarat, arbeitet der Wissenschaftler auch für Scientists for Future und ist hauptberuflich am Lehrstuhl für Hydrogeologie an der Technischen Universität München tätig.

 

Warum engagierst Du dich im Klimarat?

Weil ich aufgrund meines wissenschaftlichen Hintergrunds die Dringlichkeit sehe, etwas für den Klimaschutz zu tun. München will bis 2035 klimaneutral sein. Die Kommunen haben eine Schlüsselrolle, denn sie haben einen großen Handlungsspielraum. Es werden in der Stadt viele Kompromisse gemacht, es müsste aber jetzt sehr fokussiert in Richtung Klimaneutralität gearbeitet werden. Wir vom Klimarat müssen immer wieder darauf hinweisen, dass es nicht zu viele Kompromisse geben darf.

Wie ist die Zusammenarbeit mit der Stadt?

Wir werden gehört – zumindest in Teilbereichen und sind im engen Austausch mit dem Referat für Klimaschutz und Umwelt (RKU). In anderen Bereichen wie beispielsweise der Mobilitätswende sehe ich wenig Bewegung und Einfluss unsererseits.

Wir sind auch noch jung als Klimarat, vielleicht ändert sich das noch. Beratende Tätigkeit sollte ausgeweitet und konsequent in der Stadtpolitik umgesetzt werden.

Von der Wärmewende hörte man im Gegensatz zur Energiewende vor der Ukraine-Krise wenig. Nur etwa 15 Prozent der Wärme stammt in Deutschland aus erneuerbaren Energien. Was hat sich in diesem Jahr verändert?

Es hat sich das Bewusstsein verändert und auf Bundesebene haben sich ein paar Weichen in die richtige Richtung gestellt, aber noch nicht ausreichend. Der Zuspruch – auch innerhalb der Bevölkerung – hat sich erhöht.

Es ist dennoch eine schiefe Ebene, denn Wärme ist immer noch viel zu wenig wert, mit Wärme lässt sich kein Geschäft machen. Wenn man erneuerbaren Strom herstellt, wird dieser gefördert.  Wenn man erneuerbare Wärme produziert, bekommt man vergleichsweise sehr wenig Förderung, jedenfalls bis vor Kurzem. Damit ist eine Transformation des Wärmenetzes viel schwerfälliger.

Seit September gibt es allerdings das Förderprogramm des Bundes für effiziente Wärmenetze (BEW), das bis zu 40 Prozent fördert, z.B. wenn eine Kommune ein Wärmenetz aufbaut.
https://www.bafa.de/DE/Energie/Energieeffizienz/Waermenetze/Effiziente_Waermenetze/effiziente_waermenetze_node.html

Vor welchen Herausforderungen steht die Stadt München in Sachen Wärmeversorgung?

München steht vor einer Riesen-Herausforderung. Die Stadt muss das bestehende Wärmenetz bis 2035 dekarbonisieren. Das ist bei Wärme sehr schwierig, weil wir langlebige Infrastrukturen haben. Ein Umbau ist sehr zeitintensiv, diesen müssen wir jetzt mit allen Kräften vorantreiben.

Auch die Erzeugungsanlagen müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden, gerade im Hinblick auf Geothermie. Große Hürden dabei sind beispielsweise die Genehmigungsverfahren, geeignete Orte und Fachkräfte zu finden sowie die hohen Investitionsvolumen.

Eine weitere Herausforderung ist, die Infrastruktur auch dort zu haben, wo die Fernwärme nicht hinkommt. Das sind sehr viele Haushalte in München. Nicht jedes Haus kann an die Fernwärme angeschlossen werden. In diesem Fall muss die Wärme dezentral erzeugt werden.

Wir müssen aber auch den Wärmebedarf reduzieren in dem wir beispielsweise Häuser sanieren und  grundsätzlich Wärme einsparen. Insgesamt braucht München eine gute kommunale Wärmeplanung, das geht die Stadt gerade an, es dauert aber lange.

Welche Rolle spielen die Münchner*innen?

Bürger*innen müssen bei der Wärmewende sehr stark mitgenommen werden, noch stärker als bisher. Durch die vielen Krisen, die wir derzeit durchlaufen, ist der Klimawandel und die Folgen in vielen Köpfen etwas überdeckt worden. Aber die Klimakrise ist unsere dominanteste Krise. Die Leute müssen besser informiert werden und die erforderlichen Veränderungen mittragen. Und Manches muss auch reguliert werden – natürlich im sozialverträglichen Maß. Aber die Stadt muss auch für den Transformationsprozess unangenehme Entscheidungen treffen, von denen möglicherweise viele Menschen nicht überzeugt sind.

Hat die Ukraine-Krise ironischerweise positive Effekte auf die Wärmewende?

Auf jeden Fall, das ist so. Ich sage immer, dass die Corona-Krise die Digitalisierung vorangetrieben hat und die Ukraine-Krise die Wärmewende pusht. Es ist mehr im Bewusstsein der Leute angekommen. Es funktioniert leider immer sehr viel über den Geldbeutel. Jetzt sind die Fossilen teuer, die Leute wachen auf. Es ärgert mich ein bisschen, da jetzt alle wegen der Versorgungssicherheit umsteigen wollen, für den Klimaschutz war eine Umstellung bisher nicht bedeutend genug.

Leider wird von der Bundesregierung wieder so stark in den Markt eingegriffen, wie beispielsweise der Gaspreisdeckel, das dieser Spar-Wind wieder etwas abflaut. Kaum wurde der Zuschuss bekanntgegeben, ist der Gaskonsum wieder gestiegen. In Sachen sozialer Gerechtigkeit sehe ich das ein, aber mit der Gießkanne etwas auszuschütten macht auch keinen Sinn.

 Wie stellst du dir München 2030 vor?

Ich würde mir wünschen, dass wir 2030 einen deutlichen Schritt vorangekommen sind. Wir werden in sieben Jahren den Prozess nicht abgeschlossen haben. München wird eine riesige Energie-Baustelle sein. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir die Transformation schneller vorantreiben.
Vielleicht schaffen wir den großen Umbruch. Da sollten die Stadt und die Münchner*innen auch bereit sein, zu verzichten. Es ist in meinen Augen kein Verzicht, es ist eine Umstellung.


München hat das Potential für eine klimaneutrale Wärme. Die Stadt kann es schaffen. Allerdings haben wir in der Wärmeversorgung eine langfristige Infrastruktur. Ein Haus baut alle 30 Jahre mal die Heizungssysteme um. Wir werden noch mal viel investieren, mehr Ressourcen nutzen und konsequentere Entscheidungen treffen müssen.

Herzlichen Dank für deinen Einblick in die Wärmewende!

Klimarat

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