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Alle 15 Meter ein Baum: So will der BaumEntscheid München die Stadt abkühlen

Wer im Sommer in München unterwegs ist, spürt es: Es wird zu heiß. Stefanie Günther (Grüne) und Joseph Coenen (CSU) wollen das ändern. Ihre Vision: Alle 15 Meter soll ein Baum stehen, der die Straßen kühlt, schützt und lebenswerter macht. Dabei setzen sie auf die Münchnerinnen und Münchner selbst – mit einem Bürgerentscheid für mehr Bäume.

Wir haben mit Joseph und Steffi gesprochen, die im Herbst 2023 ein Praktikum bei der MIN gemacht hat. Ihre neu gegründete Initiative BaumEntscheid ist auch Bündnispartner von MIN.

Es wirkt auf den ersten Blick ungewöhnlich: Ein Grünen-Mitglied und ein CSU-Mitglied starten gemeinsam einen Bürgerentscheid. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden und was sagt das über die Dringlichkeit des Themas aus?

Steffi: Hitze betrifft uns alle, unabhängig von unserer Parteizugehörigkeit. Joseph und ich haben uns im Uni-Kurs „Change Makers“ an der TU München kennengelernt. Er erzählte mir, dass er im vergangenen Sommer auf einer Reise in Budapest wegen der Hitze Kreislaufprobleme bekommen hat. In München ist die Lage nicht viel besser. Wenn schon junge Menschen die Stadthitze so stark spüren, wie muss es dann erst für ältere Menschen und andere gefährdete Gruppen sein? Uns wurde klar: Gesundheitsschutz, Klimaanpassung und eine lebenswerte Stadt sind keine parteipolitischen Themen. Wir sind beide gebürtige Münchner und uns liegt die Stadt am Herzen. Mit unserem Bürgerentscheid wollen wir erreichen, dass in Münchens Straßen flächendeckend mehr Bäume gepflanzt werden – für ein gesundes, zukunftsfähiges und lebenswertes München. Wir wünschen uns, dass diese Themen endlich ganz oben auf der kommunalpolitischen Agenda Münchens stehen.

Ihr fordert, dass Münchens Straßen künftig im Abstand von rund 15 Metern mit Bäumen bepflanzt werden. Welche Vorteile bringt das und wie sieht die Ausgangslage im Moment aus?

Joseph: Bäume kühlen ihre direkte Umgebung durch Verschattung und Verdunstung. Je mehr Bäume wir also in stark verdichteten Räumen wie der Innenstadt pflanzen, desto höher ist der Kühleffekt. Dieser kann im Sommer mehrere Grad betragen und macht die Nacht somit deutlich angenehmer. In München ist die Ausgangslage sehr unterschiedlich: Zwischen Odeonsplatz und Siegestor steht beispielsweise kein einziger Baum, sodass eine Kühlung komplett fehlt. Wer hingegen in der Nähe des Englischen Gartens oder alter Friedhöfe wohnt, spürt sofort den Unterschied, denn dort sorgen die Bäume für deutlich angenehmere Temperaturen im Sommer.

Wie läuft das Bürgerentscheid organisatorisch ab? Wie viele Unterschriften braucht ihr, welche Fristen müsst ihr einhalten und wie mobilisiert ihr Unterstützer*innen?

Steffi: Gerne würden wir einen Bürgerentscheid vermeiden, sollte sich der Münchner Stadtrat dazu bereit erklären, unseren Forderungskatalog umsetzen. Da sind wir mit den Stadtratsfraktionen im direkten Gespräch. Sollte das aber nicht gelingen, würden wir zum Mittel des Bürgerentscheids greifen, welcher dann in zwei Phasen abläuft: Zuerst müssen wir ein Bürgerbegehren durchführen, die Grundlage für einen Bürgerentscheid. Hierfür würden wir dann im Frühjahr 2026 mit dem Sammeln der Stimmen starten. Diese werden anschließend von der Stadt auf Gültigkeit geprüft. Im Anschluss hat der Stadtrat abermals die Option, unsere Vorschläge anzunehmen. Sollte er sich dazu entscheiden, würde es wieder nicht zum Bürgerentscheid kommen. Lehnt die Stadt unsere Vorschläge ab – und stimmen aber die Formalia des Bürgerbegehrens – können wir im Anschluss dann den letzten Schritt, den eigentlichen Bürgerentscheid, durchführen.

Uns ist wichtig, dass unser Vorschlag rechtlich sauber und inhaltlich so konkret und realitätsnah wie möglich ausgearbeitet ist, dass er später wirklich umgesetzt werden kann. Deshalb nehmen wir uns die nötige Zeit, erarbeiten einen Forderungskatalog und Umsetzungspapier in Zusammenarbeit mit führenden Expert*innen aus der Praxis und der Wissenschaft und bauen parallel unsere Netzwerke aus, um möglichst viele Menschen für die Idee zu gewinnen. Uns geht es nicht um Basta-Politik, sondern um ein zukunftsfestes München auf Basis wissenschaftlicher Fakten.

Welche Hürden gibt es bei der Umsetzung? Stichwort: Platzbedarf, Wurzeln, Tiefgaragen, Leitungen, Finanzierung.

Joseph: Natürlich gibt es einige Hindernisse. Im Untergrund konkurrieren Bäume mit Leitungen oder Tiefgaragen, oberirdisch ist der Nutzungsdruck noch stärker. Da sind ausgewogene und faire Umsetzungs- und Einbaukonzepte gefragt, etwa wenn ohnehin Straßenarbeiten anstehen. Auch die Kosten sind ein Thema: Der Einbau neuer Bäume und ihre Pflege kosten Geld.

Steffi: Mich stört, dass bei Klimaanpassungsmaßnahmen immer von Kosten und Hindernissen gesprochen wird. Wann sprechen wir denn über die Kosten, die keine Anpassung mit sich bringen würde? Zum Beispiel die Kosten, die durch Klimaereignisse entstehen, oder die Kosten für unsere Gesundheit.

Gerade weil ihr aus unterschiedlichen politischen Lagern kommt: Seht ihr euer Projekt auch als Modell dafür, dass Klimapolitik parteiübergreifend funktionieren kann?

Steffi: Ja, absolut. Klimaanpassung ist ein parteiübergreifendes Thema, denn: Letztendlich geht es um die Gesundheit und die Lebensqualität unserer Münchner*innen, egal welcher politischen Richtung.  Jeder von uns möchte auch in Zukunft bei angenehmen Temperaturen in der Innenstadt flanieren, entspannt im Biergarten sitzen können oder nachts erholsamen Schlaf bekommen. Wir versuchen daher ein überparteiliches Bündnis aufzubauen: Wir sind mit den Stadtratsfraktionen der SPD, der Grünen und der CSU in gutem Austausch. Von allen Seiten spürten wir bisher Interesse und deutlichen Zuspruch, auch wenn die Finanzierung und der Nutzungsdruck immer die größte Hürde scheinen. Besonders gefreut hat uns die Nachricht von Anfang September, dass Oberbürgermeister Dieter Reiter 150 neue Bäume in der Fußgängerzone pflanzen will. Das ist ein Anfang und zeigt, dass das Thema auf der politischen Agenda angekommen ist. Trotzdem finden wir: Da geht noch deutlich mehr.

https://ru.muenchen.de/2025/160/Kampagne-Schatten-Spenden-Neue-Baeume-fuer-die-Altstadt-119847#

Wenn ihr einen kleinen Zeitsprung machen könntet: Wie stellt ihr euch München im Jahr 2035 vor, wenn euer Plan umgesetzt wurde?

Joseph: Ab 2026 könnten die ersten Bäume eingepflanzt werden – und 2035 wäre München schon deutlich grüner und kühler. Schatten auf den Straßen, bessere Luft und vielleicht sogar ein Blick ins Grüne aus dem Fenster. Kleine Veränderungen im Stadtbild hätten so eine große Wirkung auf die Lebensqualität und Gesundheit aller. München ist meine Heimat. Und natürlich wünschen wir uns, dass unsere Heimatstadt auch in Zukunft im Sommer für alle lebenswert bleibt.

Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen viel Erfolg für eure große Idee.

Steffi und Joseph freuen sich über Kontakte, ähnliche Ideen und Vernetzungsmöglichkeiten. Meldet euch gerne unter muenchen@baumentscheid.de oder schaut auf der  BaumEntscheid-München-LinkedIn-Seite für weitere Informationen vorbei.

 

 

 

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