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Interview mit Robert Jende über Demokratie, Krisen & Demokratiecafés

Robert Jende, Bürgerbeteiligung, Demokratiecafe

Die Manufaktur 8 setzt sich für Partizipation und Bürgerbeteiligung in München ein. Seit Dezember 2023 koordiniert Cornelius Heisse neben Robert Jende die Manufaktur. Maren Schüpphaus unterstützt weiterhin mit Rat und Tat als Patin.

Wir haben mit Robert über Demokratie, -Müdigkeit und die Aufgaben, die sich die Manufaktur 8 für 2024 gestellt hat, gesprochen.

In Deutschland und auch in den Nachbarländern sind antidemokratische Tendenzen zu beobachten, die sich zum Beispiel in sozialen Netzwerken oder in extremistischen Gruppierungen manifestieren und auf der Straße. Auch der Protest auf der Straße nimmt zu. Es gibt immer mehr Stimmen, die die Demokratie in Gefahr sehen. Wie siehst du das?

Ja, ich sehe das Problem ebenfalls. Die liberale Demokratie, wie wir sie haben, neigt dazu, faschistische Züge anzunehmen, und wir befinden uns derzeit in dieser Sackgasse. Wenn in Krisen keine Antworten gefunden werden, wenn sich die Politik in festgefahrenen Bahnen bewegt, dann gerät die Demokratie ins Wanken. Viele Menschen fühlen sich nicht mitgenommen. Einmal alle vier Jahre zur Wahl zu gehen, ist aus meiner Sicht zu wenig gelebte Demokratie.

Gibt es Möglichkeiten, das zu ändern?

Ein gutes Beispiel ist der erste Bürgerrat, der kürzlich seine Empfehlungen zum Thema „Ernährung im Wandel“ veröffentlicht hat. Das Besondere an Bürgerräten ist, dass die Teilnehmer*innen ausgelost werden und einen Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Der Rat beschäftigt sich mit einem konkreten Thema und erarbeitet gemeinsam Lösungsvorschläge.

Was motiviert dich zu deinem Engagement?

Es geht mir darum, Lösungen für aktuelle Probleme zu finden und diese in die Praxis umzusetzen. Dazu braucht man allem die Expertise anderer und die Bündelung von Kräften. Das habe ich in der Manufaktur 8 gefunden. Einen solchen Ort, der Partizipation und Teilhabe fördert, kenne ich sonst in München nicht.

Gibt es zu wenig Menschen, die aktiv das Leben und das Umfeld gestalten wollen?

Das Leben ist sehr komplex, schon die Bewältigung des Alltags ist für viele Menschen eine Herausforderung, nicht nur im teuren München. Sich dann noch zu beteiligen, ist zeitlich oft nicht möglich. Die Lohnabhängigkeit fördert keine demokratischen Verhältnisse, es müsste sich viel ändern, damit sich die Beteiligung der Menschen ändert.

Treffen der Manufaktur 8

Ihr setzt das Format „Demokratie-Café“ ein, das von dir mitentwickelt wurde. Was kann man sich darunter vorstellen?

Wenn ich ein Erlebnis erzählen darf: Kürzlich hatte ich einen Workshop im HP8 und es gab einen kleinen Streit zwischen zwei Frauen. Die eine verteidigte die Ansichten von Alice Weidel von der AfD, die andere war entsetzt darüber. Ich habe das zu spät mitbekommen und die Diskussion schnell beendet. Bei der Zuordnung zu den Arbeitsgruppen haben die Kontrahentinnen unterschiedliche Thementische gewählt.
Am Ende fanden beide Frauen doch wieder zueinander. Diejenige, die sich zuvor für Alice Weidel aussprach, entwickelte ein Projekt, gemeinsam mit arabischen Communities zu kochen und sich auszutauschen. Ausgerechnet die andere Frau hatte mit solchen interkulturellen Kochabenden Erfahrungen und konnte nun dabei unterstützen. Beide tauschten ihre Nummer.

Hätten sie weiter über ihre Positionen diskutiert, wäre es wahrscheinlich nicht zu einem Konsens gekommen, aber das übergeordnete Thema „Kochen“ hat sie zusammengebracht. Interessant war auch, dass die AfD-Anhängerin eine Kochgruppe mit arabischen Frauen gründen wollte.

Das Demokratiecafé ist ein Format, wo man gemeinsam schaut, was man verändern kann, zum Beispiel die Begrünung vor der Haustür, ein gemeinsamer Kochabend mit Nachbarn, persönliche Unterstützung für ein Projekt. Es ist ähnlich aufgebaut wie das Repair Café.
Das Veranstaltungsformat, das zwischen zwei und vier Stunden dauert, kann an jedem Ort stattfinden, sollte wiederholt werden, denn es muss Vertrauen aufgebaut werden. Die Menschen kommen ins Tun, Projekte können sich entwickeln, das Netzwerk und die Zufriedenheit wachsen.

Was sind eure Vorhaben in 2024?

Wir wollen uns einerseits dem Thema Bürgerbeteiligung kommunaljuristisch annähern. Was steht im Gesetz, was darf man, welche Regeln brauchen wir, um gute Bürgerbeteiligung zu erreichen?
Dann wollen wir das MIN-Projekt „gutes Leben im Quartier“ begleiten und wollen enger mit der neu geschaffenen Fachstelle für Bürgerschaftliches Engagement und Öffentlichkeitsbeteiligung zusammenarbeiten. Oft wird die Stadt als Festung gesehen, undurchdringlich und nicht offen. Wir wollen die Verbindung zwischen der Fachstelle und den Bürger*innen schaffen, Wege finden, wie man Leute einbindet und partizipieren lässt.

Die Manufaktur 8 hat ein neues Label: (M)acht. Wie ist das zu interpretieren?

Wenn man M wie Manufaktur und die Zahl 8 zusammen ausspricht, dann entsteht das Wort Macht. Macht hat viele Bedeutungen, da denkt man an Macht haben, Verteilung von Macht, Machtmissbrauch etc. Andererseits steckt darin auch das Verb „machen“ drin. Und das ist ein schönes Wortspiel, mit dem wir eine Wiedererkennbarkeit erreichen möchten: Macht mit!

Die Manufaktur 8 lädt am 31.1. von 18 bis 20 Uhr zum ersten Manufakturtreffen im neuen Jahr ein. Anmeldung bei robert.jende@m-i.n.net.

 

Jahresrückblick 23 der Manufaktur 8

Demokratie, Demokratiecafe, Robert Jende

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