Equal Care Day in München – unsichtbare Arbeit von Frauen sichtbar machen
Am 29. Februar 2024 findet zum ersten Mal das Equal-Care-Day-Festival unter dem Motto „Care Utopien“ in München statt. Die MIN unterstützt das Engagement der Initiatorinnen. Die Vorbereitungen für das Festival sind in vollem Gange. Dennoch haben wir einen gemeinsamen Termin gefunden, um mit drei der Organisatorinnen Michaela Mahler, Projektkoordinatorin der MIN-Manufaktur 7, Lena Schneck vom siaf e. V. und Carmen Romano von der Petra-Kelly-Stiftung e.V. über die Ausbeutung von weiblichen Ressourcen, die eigenen Erfahrungen, das Festival und die Forderungen zu sprechen.
(Foto: Lena, Michaela und Carmen, von links)
Frauen leisten weltweit laut einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) etwa viermal so viel unbezahlte Pflegearbeit. Was bedeutet das für den Alltag von Frauen?
Ganz klar – Erschöpfung. Die Geschlechterforscherin und Autorin Franziska Schutzbach hat dies in ihrem Buch „Die Erschöpfung der Frauen“ brillant herausgearbeitet. Die Autorin zeigt darin auf, wie sehr die Verfügbarkeitsansprüche, die an Frauen gestellt werden, gerade im Hinblick auf die Erbringung von Care-Arbeit, Frauen in die totale Verausgabung treiben. Sie müssen ständigen Anforderungen genügen. Durch die fehlende Monetarisierung dieser Arbeit von Frauen bleibt dauerhaft unsichtbar, wie viel Frauen tatsächlich arbeiten. Sie werden ausgebeutet. Und das hindert im weiteren Schritt Frauen auch daran, beispielsweise Führungspositionen zu übernehmen oder politische Ämter zu begleiten und das Risiko der Altersarmut ist gerade bei Frauen sehr hoch.
Diese Care-Arbeit steigert sich während der Mutterschaft. Studien zeigen, dass der Care-Gap besonders groß ist, wenn kleine Kinder da sind. Das hat die Bestseller-Autorin Mareice Kaiser in ihrem Buch „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ beschrieben und dafür ein einprägsames Bild geschaffen: Man merkt erst, wenn man in den rosa Wollpullover geschlüpft ist, wie er kratzt und man darin schwitzt.
Mareice Kaiser wird als Keynote-Speakerin an unserer Veranstaltung teilnehmen.
Viele kennen den Equal Pay Day, weniger bekannt ist der Equal Care Day. Was darf man sich darunter vorstellen?
Der Equal Care Day wurde 2016 von Almut Schnerring und Sascha Verlan ins Leben gerufen, um auf das große Problem der ungleich verteilten Sorgearbeit in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Aus unserer Sicht ist es eines der größten Probleme unserer Zeit, über das aber relativ wenig gesprochen wird. Ohne die überwiegend von Frauen geleistete Arbeit wären die Hosen für den nächsten Schul- und Arbeitstag nicht gewaschen, stünde abends kein Essen auf dem Tisch, wären die Weihnachtsgeschenke für Oma und Tante nicht besorgt und eingepackt und so weiter. Das hält unsere Wirtschaft am Laufen. Der Equal Pay Gap ist eine Folge des Care Gaps.
Wer oder was muss sich ändern, damit Sorgearbeit gerechter verteilt wird?
Es bedarf eindeutig politischer und gesellschaftlicher Lösungen für eine gerechte Verteilung von Care-Arbeit und nicht individueller Optimierungsbemühungen. Wir möchten an dieser Stelle auf das Equal Care Manifest verweisen, das aus den Ergebnissen der Equal Care Day Konferenz 2020 in Bonn entstanden ist. Darin geht es um drei Bereiche:
Erstens die Anerkennung und Wertschätzung von Care-Arbeit, zweitens die gerechte Verteilung der Arbeit und drittens die strukturelle Unterstützung und Rahmenbedingungen. Das bedeutet unter anderem eine Vereinheitlichung der sozialen Absicherung von privater Care-Arbeit, Stichwort Alterssicherung.
Auch die Abbildung der Wertschöpfung durch unbezahlte Care-Arbeit in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung wäre ein wichtiger Schritt. Die Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit, die derzeit erfreulicherweise gesellschaftlich breiter diskutiert und von einigen Unternehmen bereits angeboten wird, ist ebenfalls ein wichtiger Hebel und eine Forderung des Equal Care Manifests. Die nicht übertragbaren Elterngeldmonate müssen ausgeweitet werden. Und ganz wichtig: Bessere Arbeitsbedingungen in allen Care-Berufen durch verlässliche Personalbemessung, keine Verdichtung durch Renditeorientierung und gute Ausbildungsvergütunge
Der Equal Care Day 2024 wird am 29. Februar in München stattfinden. Warum gerade an diesem Tag und warum in München?
Die Festlegung auf den 29. Februar, der als Schalttag nur alle 4 Jahre stattfindet und den es in den Jahren dazwischen nicht gibt, weist darauf hin, dass Care-Arbeit als weitgehend „unsichtbare Arbeit“ gilt, die wenig wahrgenommen und nicht oder schlecht bezahlt wird. Damit wollen wir die unsichtbare Arbeit sichtbar machen.
Seit 2016 gibt es den Equal Care Day bereits in Bonn, initiiert durch den klische*esc e.V. und seither jedes Jahr in immer mehr Städten. In diesem Jahr, möchten wir nun zum ersten Mal auch eine Veranstaltung in München machen.
Als wir Anfang 2023 begonnen haben, das Festival zu planen, waren wir eine Kerngruppe von 5 Frauen, jetzt sind wir über 15 und es gibt viele progressive Gruppen vor Ort, die sich mit diesem feministischen Thema beschäftigen und sich uns angeschlossen haben. Wir sind mittlerweile ein breites Bündnis aus dem Bereich Nachhaltigkeit mit feministischem Schwerpunkt. Mit dabei sind z.B. Petra-Kelly-Stiftung, Bürgerstiftung, MIN, Gleichstellungsstelle LHM, siaf e.V., Beratungsstelle für Natürliche Geburt und Elternsein e.V., Mütterzentren in Bayern, Verband berufstätiger Mütter, Evangelische Stadtakademie München, Frauenstudien, Kinderschutzbund, Frauenakademie, Parité in den Parlamenten, WIR Stiftung, Women Engage for a common Future und viele mehr.
Was erwartet die Besucherinnen und Besucher auf diesem Kongress?
In diesem Jahr wird der Equal Care Day nicht wie in den vergangenen Jahren nur eine Fachtagung sein, sondern auch ein Festival – mit vielen kulturellen und künstlerischen Elementen. Die Schirmherrschaft hat Oberbürgermeister Dieter Reiter übernommen, die Keynote hält Mareice Kaiser aus Berlin.
Es folgt eine Podiumsdiskussion zum Thema „Care-gerechte Arbeitswelt“, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Am Nachmittag haben die Teilnehmenden die Möglichkeit, sich in vier Workshops auszutauschen und gemeinsame Forderungen zu formulieren. Umrahmt wird das Ganze, wie gesagt, von Kunst und Musik. So haben wir die Poetry Slammerinnen Meike Harms und Jessy James LaFleur im Programm und am Abend spielt die Band Blushy AM.
Es ist wichtig zu betonen, dass sich der Equal Care Day wirklich an alle Menschen richtet, die von den verschiedenen Formen der Care-Arbeit betroffen sind: Frauen, Männer, nicht-binäre Menschen, die sich um Kinder oder pflegende Angehörige kümmern. Die Workshops am Nachmittag sollen vor allem diese vielfältigen Perspektiven widerspiegeln.
Während der Corona-Pandemie kamen die Gründer*innen auf die Idee, die Veranstaltung virtuell zu übertragen. Inzwischen finden die Veranstaltungen wieder live statt, aber das virtuelle Element ist geblieben. Auf der sogenannten Care-Landschaft werden die verschiedenen Veranstaltungen aus den verschiedenen Städten auch gestreamt. Als Besucher*in kann man dann frei entscheiden, wann man zu welcher Bühne geht.
Wie sieht die Organisation rund um das Equal Care Day in München aus, wer kann sich engagieren?
Wir sind ein breites und offenes Bündnis. Bei jedem Vorbereitungstreffen kamen neue Organisationen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen Bereichen dazu und es hat gezeigt, wie relevant das Thema ist. Wir freuen uns auch immer über neue Mitstreiter und Mitsteiterinnen.
Kontaktadresse: equalcareday@m-i-n.net
Mehr Information über das Festival, Programm und Anmeldung. https://www.m-i-n.net/equal-care-day/
Wir wünschen den Organisatorinnen gutes Gelingen für den 29. Februar 24!