Die Bedeutung von Bäumen für das Klima: Florian Hochstätter im Gespräch

Wer uns bei unserem Sommerexperiment Kazmair-Allee sehr unterstützt hat, war und ist Florian Hochstätter, Hauptabteilungsleiter des Baureferats-Gartenbau in München. Wir haben zum Start der Kazmair-Allee ein Gespräch mit Florian Hochstätter über die grüne Zukunft in München geführt.

Zehn Bäume stehen von Juni bis Oktober in der Kazmair-Allee. Sie haben unser Projekt sehr unterstützt und begleitet. Was war Ihre Motivation?

Florian Hochstätter: Wir haben alle 25 Bezirksausschüsse stadtweit gebeten, uns aufgrund ihrer Ortskenntnis Vorschläge für neue Baumstandorte in der Stadt zu machen. Ein Vorschlag des Bezirksausschusses Schwanthalerhöhe sieht vor, in der Kazmairstraße Bäume zu pflanzen. Ob das wegen der in der Straße verlegten Sparten (Rohre und Kabel) funktioniert, haben wir geprüft. An den 10 Orten wo jetzt die Bäume des Projektes „Kazmair-Allee“ stehen, würde zukünftig auch eine dauerhafte Baumpflanzung aus technischer Sicht funktionieren!

Die Kazmairstraße bietet zwar schöne Altbauten und gute Restaurants, ist aber von parkenden, fahrenden und anliefernden Fahrzeugen teilweise dominiert. Da das Grün weitgehend fehlt, kann es dort im Sommer sehr heiß werden. Bäume können durch ihre kühlende Wirkung der sommerlichen Hitze entgegenwirken. Gleichzeitig steigert das Grün der Bäume das Wohlbefinden der Anwohner. Verständlicherweise wünschen sich viele Menschen deshalb Bäume in der dicht bebauten Innenstadt. Gleichzeitig möchten einige Menschen aber auch nicht auf Parkplätze verzichten.

Um zu zeigen, wie toll ein Baum statt eines Parkplatzes ist, bot sich das Sommerexperiment Kazmair-Allee an mit den zunächst zehn temporären Bäumen, die das Baureferat-Gartenbau zur Verfügung gestellt hat.

Meine Motivation ist es natürlich, später dort dauerhaft Bäume zu pflanzen. Übrigens haben die Bezirksausschüsse Vorschläge für stadtweit über 2.000 neue, realisierbare Bäume gemacht. Ich hoffe, dass wir das nötige Geld im städtischen Haushalt bereitgestellt bekommen, so dass wir alle diese Bäume pflanzen können.

Pflaumenblättriger Weißdorn – das ist die Baumart, die jetzt in der Kazmair-Allee steht. Ist das ein Stadtbaum mit Zukunft?

Sommerexperiment Kazmair-Allee - Gießaktion Sommerexperiment Kazmair-Allee - Gießaktion Florian Hochstätter: Der Pflaumenblättrige Weißdorn ist eine stadtklimafeste, frostharte, trockenheitsresistente  Baumart aus Nordamerika, die auch mit Böden mit höheren pH-Werten, wie hier in München, gut zurechtkommt. Als Blütenbaum und Bienennährgehölz erfüllt diese Baumart wichtige ökologische Aspekte. Sein glänzendes dunkelgrünes Laub, verbunden mit einer auffälligen gelborange bis roten Herbstfärbung, bietet auch optisch eine Besonderheit. Mit einer Wuchshöhe von 6 – 7 m und einer Breite von 5 – 6 m ist die Baumart jetzt für die temporäre Aufstellung in der Straße gut geeignet. Allerdings ist er grundsätzlich eher kein Straßenbaum, sondern besser für die Pflanzung in Parks.

In der Kazmair-Allee ist der Deal sozusagen – Parkplatz gegen Baum. Ein Teil der Anwohner*innen sind mit dieser Entscheidung nicht glücklich. Wie stehen Sie dazu?

Florian Hochstätter: Der Kampf „Baum gegen Parkplatz“ ist mühsam und wird von uns schon seit Jahren geführt. Gegenwärtig ist aber ein Paradigmenwechsel spürbar. Die Menschen erkennen die dringende Notwendigkeit den Straßenraum anders zu nutzen, ihn zu ökologisieren, dem Klimawandel Rechnung zu tragen und Aufenthaltsqualität zu schaffen. Wenn es schließlich gelingt Parkplätze zugunsten einer zeitgemäßen Gestaltung zurückzubauen, ist nach der Realisierung die Zustimmung meistens hoch. Es können dann Pflanzbeete geschaffen, Sitzgelegenheiten aufgestellt und eben Großbäume gepflanzt werden, wie z. B. um das Siegestor oder auf der anderen Seite der Theresienwiese, am St.-Pauls-Platz. Auch dort weint keiner mehr dem Verlust der ehemaligen Parkplatzwüsten nach.

Was sind Ihre Herausforderungen im Münchner Gartenbaureferat in den nächsten Jahren?

Florian Hochstätter: München ist eine sehr dicht besiedelte Stadt. Das bedeutet, dass zwar sehr effektiv, nachhaltig mit den zur Verfügung stehenden Flächen als wertvolle Ressource umgegangen wird – die Flächenversiegelung pro Kopf ist hier im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland gering. Allerdings steht den vielen Menschen, relativ wenig Fläche für die Freizeitnutzung zur Verfügung. Ebenso knapp sind die Flächen für die Förderung der Biodiversität und für Klimaanpassungsmaßnahmen.

Diese drei z.T. um die zur Verfügung stehenden Flächen konkurrierenden Funktionen, werden maßgeblich in den öffentlichen Grünanlagen und Parks bedient, welche der Gartenbau pflegt und entwickelt.

Um den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen, kann die Wohlfahrtswirkung der Bäume nicht hoch genug geschätzt werden. Bäume sind Schattenspender, kühlende Verdunstungsaggregate, Frischluftproduzenten, Habitate für Vögel und Kleintiere, Nahrungsquelle für Insekten und zudem eine Augenweide für den Menschen. Den Münchner Baumbestand mit seinen ca. 800.000 Bäumen auf öffentlichen Flächen zu erhalten und zu entwickeln, bestehende Baumstandorte zu verbessern und neue Baumstandorte zu schaffen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Gartenbaus.

Gleichzeitig ist das Artensterben und der Verlust der Biodiversität ein nicht zu unterschätzendes Problem. Auch dieser Herausforderung stellt sich der Gartenbau. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, alle ökologischen Potenziale, die in öffentlichen Grünanlagen und Straßenbegleitgrün, aber auch in Ausgleichs- und Biotopflächen stecken, zu nutzen, um das Nahrungsangebot für Bienen und andere Insekten zu erhöhen und Naturerlebnisse in der Stadt zu ermöglichen. Der Münchner Stadtrat wird uns dafür dankenswerterweise das nötige Geld zur Verfügung stellen.
Was die Freizeitnutzung betrifft, sind viele Spielplätze für Kinder und Jugendliche in die Jahre gekommen und müssen modernisiert werden – eine große Herausforderung und wichtige Aufgabe. Da ein Modernisierungsstau droht, hat der Gartenbau – unterstützt durch das positive Votum der zuständigen Spielraumkommission – die erforderlichen zusätzlichen Mittel für den zukünftigen Haushalt der Stadt angemeldet.

Es liegt auf der Hand, dass wir zur Umsetzung all dieser anstehenden Aufgaben unser Personal aufstocken müssen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das eine Herausforderung.

Können wir schon etwas über Ihre Pläne für die Begrünung Münchens in den nächsten Monaten oder Jahren erfahren?

Florian Hochstätter: Ein großes Potential für die Begrünung Münchens bieten die bisher versiegelten Flächen und Plätze. Mit einer Begrünung dieser Flächen erhöhen wir die Aufenthaltsqualität und verbessern das Stadtklima. So ist z. B. für den Oskar-von-Miller-Ring, der bisher einseitig auf den Autoverkehr ausgelegt war, geplant, Grünbereiche mit artenreicher Mischpflanzung anzulegen, die als Nahrungsquelle für Insekten dienen und damit zu einer Erhöhung der Biodiversität beitragen.

Außerdem sollen 60 Bäume gepflanzt werden, die an heißen Sommertagen Schatten bieten. Zudem soll eine neue Brunnenanlage errichtet werden, die als zusätzliches Kühlungselement wirkt – hier im besonders überhitzungsgefährdeten Zentrum der Stadt. Begrünungsprojekte sind auch auf Plätzen in der Peripherie geplant. So wird auch der Willy-Brandt-Platz in der Messestadt, bisher eine riesige 10.000m² große, mit Beton belegte Fläche, zu fast 50 % entsiegelt und begrünt werden, mit rd. 100 Großbäumen, artenreichen Gräsern und Stauden sowie mit Großsträuchern. Dazu werden Sitzmöglichkeiten für Spiel, Sport und Infrastruktur für Urban Gardening und ein großer bespielbarer Brunnen angeboten werden.

Für die Schwanthalerhöhe gibt es im Übrigen gute Nachrichten, was die Modernisierung von Spielplätzen betrifft: Ab dem kommenden Jahr wird der Spielplatz am Gollierplatz und auch der nahe gelegene Spielplatz auf der Theresienwiese sowie die Spiel- und Sportangebote entlang des Bavariarings neugestaltet.

Was passiert Ende Oktober mit den 10 Bäumen in der Kazmair-Allee?

Florian Hochstätter: Die Bäume wurden ursprünglich für das Neugestaltungsprojekt der öffentlichen Grünflächen des Campus Ost an der Echardinger-Straße beschafft und werden im Herbst dann dort gepflanzt werden.

Vielen Dank für das Interview!

Florian Hochstätter, KazmairAllee, Sommerexperiment, Westendkiez

Newsletter abonnieren


Unser Newsletter informiert über die kommenden Veranstaltungen und unsere aktuellen Tätigkeiten.

Bündnispartner werden


MIN bündelt Initiativen und Organisationen der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft.

In Manufaktur mitarbeiten


Arbeiten Sie in einer Manufaktur gemeinsam mit Anderen an der nachhaltigen Entwicklung Münchens.

Spenden


Zur Förderung der Arbeit von MIN können Sie uns auch mit einer Spende unterstützen.


Gefördert durch das Referat für Klima- und Umweltschutz und das Sozialreferat

Die BürgerStiftung München organisiert und verwaltet MIN.
www.buergerstiftung-muenchen.de
buero@buergerstiftung-muenchen.de

© Copyright Münchner Initiative Nachhaltigkeit 2020 - 2023

Design-Konzept und technische Umsetzung:  bioculture – umweltbewusstes Marketing

X