„Equal Kerl“ statt Klischee: Wenn Männer Care-Arbeit ernst nehmen

Bei Equal Care engagieren sich überwiegend Frauen – so auch in unserem Projekt in München. Doch es gibt auch ein Teilprojekt, das aus der Bewegung heraus entstanden ist und gezielt Männer anspricht: Equal Kerl. Dort treffen sich Männer, etwa beim Stammtisch, um über Gleichberechtigung und gesellschaftlichen Wandel zu sprechen – vor allem in Bezug auf Familie und Fürsorgearbeit. Wir haben mit Julian Federer gesprochen, einem der Initiatoren.
Der nächste Equal Kerl-Stammtisch steht Mitte Juli an. Was erwartet die Männer dort?
Zum Stammtisch kommen Väter mit unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensmodellen – aber alle setzen sich mit dem Thema Care-Arbeit auseinander. In einem geschützten Rahmen sprechen sie offen über das, was sonst oft unausgesprochen bleibt: Zweifel, Frust, Partnerschaftskonflikte. Ich selbst gehe jedes Mal gestärkt nach Hause.
Was mir in diesen Gesprächen auffällt: Das Thema ist bei vielen Männern noch nicht angekommen. Care-Arbeit gilt nicht gerade als „sexy“ – schließlich bedeutet sie, Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig auf Privilegien zu verzichten.
Warum engagierst du dich für Equal Care und Equal Kerl?
Ich bin Vater von zwei Kindern. Als unser erstes Kind geboren wurde, habe ich acht Monate Elternzeit in Vollzeit genommen – das war kein Selbstläufer. Dass ich heute dort stehe, wo ich bin, verdanke ich vor allem Beziehungs- und viel Überzeugungsarbeit meiner Partnerin. Spätestens mit dem zweiten Kind wurde klar, dass sich etwas ändern muss. Ihre Unzufriedenheit war deutlich, und wir haben unser Familienleben gemeinsam umgekrempelt.
Wie sieht deine Vision von Gleichberechtigung aus?
Care-Arbeit wird auch für Väter selbstverständlich und gesellschaftlich anerkannt. Viele Männer arbeiten in Teilzeit und übernehmen Verantwortung zu Hause, weil sie davon überzeugt sind. Doch noch ist das eher Ausnahme als Regel. Viele Männer setzen sich mit dem Thema kaum auseinander – oft, weil es bedeutet, eigene Vorteile infrage zu stellen. Es braucht deutlich mehr Bewusstsein und Offenheit.
Gerade in München hört man oft: Wer soll sich das leisten können?
Wenn die Partnerin die Möglichkeit bekommt, ihre beruflichen Ziele zu verfolgen, kann sie auch mehr zum Familieneinkommen beitragen. Aber ja – das bedeutet für beide Seiten Kompromisse. Vor allem: Männer müssen bereit sein, auf Privilegien zu verzichten.

Welche Privilegien meinst du konkret?
Wer Vollzeit arbeitet, hat oft den Rücken frei für Karriere, Gehalt, Altersvorsorge. Wenn Männer Care-Arbeit übernehmen, bedeutet das Verzicht: weniger Aufstiegschancen, finanzielle Unsicherheit, langfristig oft auch Einbußen bei der Rente.
Was mich in der Ansprache von Vätern manchmal stört, ist die Romantisierung von Sorgearbeit: Teilzeit als sanfter Ausstieg aus dem Hamsterrad. Dabei bedeutet es meist das Gegenteil – mehr Verantwortung im Alltag, mehr emotionale Last, mehr Unsichtbarkeit. Und Teilzeit bringt reale Nachteile: geringeres Einkommen, weniger Rentenansprüche, im schlimmsten Fall Altersarmut.
Du arbeitest aktuell 20 Prozent im Schuldienst – und 80 Prozent in der Care-Arbeit. Wie reagiert dein Umfeld darauf?
Oft mit einem Achselzucken. Viele verstehen es nicht oder fragen direkt nach meiner Altersvorsorge. Würde man einer Frau in meinem Beruf – einem ohnehin weiblich geprägten Feld – dieselbe Frage stellen? Da zeigt sich: Es fehlt an Sensibilität. Nicht nur bei Männern. Sondern in der gesamten Gesellschaft.
Danke für das Gespräch, Julian und viel Erfolg mit deinem Engagement in Sachen Equal Care!