Man darf sich Bio nicht nur wünschen, man muss es auch kaufen – Interview mit Anna Feldmeier (LVÖ)
Wir haben mit Anna Feldmeier von der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern e.V. (LVÖ ) über das Bio-Siegel, die Wiesn und die nächsten Jahre gesprochen. Die LVÖ ist Bündnispartner der Aktion faire Wiesn ein. Anna Feldmeier ist im organisatorischen Kernteam der faire Wiesn dabei.
Was sind die übergeordneten Ziele der LVÖ und wer steht hinter dem Siegel?
Anna: Das Ziel der LVÖ ist die nachhaltige Gestaltung der bayerischen Landwirtschaft. Wir sind überzeugt davon, dass das nur mit einem hohen Anteil Ökolandbau zu erreichen ist. 30 Prozent bis 2030 sind das nächste Ziel – aber von uns aus darf es dann gerne auch nochmal deutlich mehr werden! Der Ökolandbau setzt nicht nur einzelne Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ein, sondern ist ein ganzes System und schützt gleichzeitig Klima, Artenvielfalt, Gewässer, Böden, Tier. Daher ist für uns klar: Wir brauchen mehr Ökolandbau in Bayern. Wir fordern die Politik dazu auf, dementsprechend zu handeln. Dazu gehören viele Aspekte: Wir brauchen die Unterstützung der Landwirt*innen, aber auch die Marktentwicklung, z.B. in der Außer-Haus-Verpflegung, die Bildung zu Bio und unbedingt mehr Forschung zum Ökolandbau.
Hinter dem Bayerischen Bio-Siegel steht der Bayerische Staat. Das Landwirtschaftsministerium fördert Bio u.a. über die Initiative BioRegio 2030. Dabei soll das Siegel dazu beitragen, dass die Leute auch mehr Bio aus Bayern kaufen. Denn das ist natürlich auch ganz wichtig: Man darf sich Bio aus der Region nicht nur wünschen, man muss es auch kaufen. Was immer eine gute Wahl ist, nicht nur in Sachen Umweltschutz, sondern auch, weil es einfach gut und einzigartig schmeckt, viel viel besser als Massenware, die es überall gibt.
Was genau will uns das Bayerische Bio-Siegel sagen – und auf welchen Produkten kann man es finden?
Anna: Aus vielen Umfragen geht hervor, dass viele Menschen in Bayern sich Bio-Lebensmittel wünschen, die aus der eigenen Region kommen. Durch das Bayerische Bio-Siegel sieht man auf einen Blick: es ist aus überwiegend bayerischen Bio-Zutaten, und es ist in Bayern hergestellt.
Die Kriterien, damit ein Produkt das Bayerische Bio-Siegel tragen darf sind: Die Zutaten müssen Bio sein, mindestens zwei Drittel davon aus Bayern, und zwar erzeugt nach dem deutlich höheren Standard der bayerischen Bio-Anbauverbände Bioland, Naturland, Biokreis oder Demeter. Außerdem muss das Produkt in Bayern verarbeitet worden sein.
Wenn ein Joghurt beispielsweise das Bayerische Bio-Siegel trägt, weiß ich sofort: Die Milch kommt von Kühen, die auf einem bayerischen Bauernhof leben und richtig gut gehalten werden. Dann wurde die Milch in einer bayerischen Molkerei zu Joghurt verarbeitet – der dann am besten auch noch in einem bayerischen Ladenregal steht.
Welcher Aufwand steckt dahinter, um das Siegel zu erhalten?
Anna: Wenn ein Unternehmen das Bayerische Bio-Siegel für seine Produkte nutzen will, muss es die Programmbestimmungen erfüllen. Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb Mitglied in einem Anbauverband ist, erfüllt er die Kriterien automatisch. Der formelle Aufwand für die Unternehmen ist überschaubar – kontrolliert wird aber alles sehr genau, schließlich ist Glaubwürdigkeit das Wichtigste für ein Siegel.
Infos zur Zeichennutzung finden sich auf https://www.lvoe.de/bayerisches-bio-siegel
Auf der Wiesn gab es 2022 Speisen und Getränke, die mit dem Siegel versehen waren. Wie aufwändig war das für die Zeltbetreiber?
Anna: Wir waren zufrieden mit der Entwicklung auf der Wiesn 2022. Das Angebot mit Bayerischem Bio-Siegel (BBS) konnte sich echt sehen lassen: Im Ammerzelt und bei der Schützenlisl gab es bayerische Bio-Brathendl, bei der Schützenlisl außerdem noch Schweine- und Rindfleisch, Klöße, Süßspeisen, Gemüse und Wein. Und es gab Bayerische Bio-Siegel Produkte wie Bratwurstsemmeln im Straßenverkauf.
Jede Umstellung bedeutet einen Aufwand für die Zeltbetreiber. Aber die haben das richtig gut hingekriegt. Wenn man sich als Wiesnwirt oder Standbetreiber am besten schon für Bio interessiert, ist es auch nicht mehr schwer, das BBS mit auf die Speisekarte zu nehmen. Ob mit oder ohne Erfahrung: Wir bei der LVÖ beraten zu allen Fragen, die dabei aufkommen, also zum Warenbezug, zur Zertifizierung und Auslobung und allem weiteren.
Die oben Genannten sind immer noch Leuchttürme und wir hoffen sehr, dass in Zukunft sich noch mehr Wiesnwirte und Standbetreiber sich dazu entschließen, bio und auch bioregionale Speisen und Getränke anzubieten. Gerade auf der Wiesn, bei einem Volksfest, bei dem so viele Menschen zusammen kommen, gemeinsam gegessen und getrunken wird, sollte es für alle ein Bio und bioregionales Angebot von Speisen und Getränke geben.
Wie hat sich die Nachfrage nach dem Siegel nach den Krisen in den vergangenen Jahren entwickelt?
Anna: Währen der Pandemie-Zeit ist die Nachfrage nach Bio stark angestiegen. Momentan ist sie wieder etwas zurückgegangen. Aber insgesamt bleibt die Nachfrage auf einem hohen Niveau und wir sind zuversichtlich, dass sie auch bald wieder steigen wird.
Das Bayerische Bio-Siegel entwickelt sich parallel dazu. Wichtig ist: Unternehmen können sich über das BBS noch einmal mehr von der Konkurrenz abheben, neue Zielgruppen erreichen und insgesamt qualitativ hochwertige Speisen und Getränke anbieten.
Wir sind im Jahr 2023. Wie weit sind wir von den 30 Prozent Ökolandbau in Bayern entfernt?
Anna: Ganz ehrlich: noch zu weit. Wir stehen bei 13 Prozent – und müssen das Tempo also ordentlich steigern, um das Ziel bis 2030 zu erreichen!
Die Stadt München hat einen Bewertungsleitfaden für städtische Veranstaltungen erstellt. Bewerber*innen für städtische Veranstaltungen werden u.a. positiv im Bereich Ökologie bewertet, wenn sie bayerischen Bio-Siegel Produkte verkaufen. Zeigt sich eine Lenkungswirkung?
Anna: Es freut uns sehr, dass es der Stadt München wichtig ist, den Verbrauchern regionale Speisen auf städtischen Veranstaltungen anzubieten. Das Interesse an der Zeichennutzung steigt, es kommen jedes Jahr neue Unternehmer dazu, die Glühwein, Bratwürste, Mehlspeisen etc in Bayerischer Bio-Siegel Qualität auf dem Münchner Christkindlemarkt, Dulten, oder Oktoberfest anbieten möchten. Es ist schön zu sehen, dass auf den städtischen Veranstaltungen in München mehr Bioregionalität für die Menschen angeboten werden kann.
Mit welchen Zielen geht die LVÖ ins neue Jahr?
Anna: Im Oktober ist Landtagswahl – da wollen wir, dass möglichst viele Politiker sich zum Ökolandbau bekennen und möglichst viele Wähler*innen diese dann auch wählen. Damit es in der neuen Legislaturperiode mit noch einmal deutlich mehr Schwung in Richtung 30 Prozent geht! Und wir wollen noch viel mehr bayerisches Bio auf der Wiesn 2023!
Vielen Dank, Anna!
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